Familienrat

Mit den eigenen Ressourcen Probleme lösen.

Probleme und Krisen in Familien existieren, seit Menschen in familiären Strukturen zusammenleben. Nicht selten trat in früheren Zeiten in solchen Fällen die Familie oder die Sippe zusammen, um über das Problem zu beraten und Lösungen zu finden. Das Konzept Familienrat greift diesen Lösungsansatz mit Unterstützung von Fachkräften auf. Als niedrigschwelliges Unterstützungsangebot hat sich die Methode insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe international bewährt und wird auch in vielen Städten in Deutschland erfolgreich eingesetzt.

Idee und Lösungsansatz

Der Familienrat ist ein kompaktes Verfahren zur Lösungsfindung für Familien in schwierigen Lebenssituationen. Im Familienrat suchen Familien gemeinsam mit ihrem Lebensumfeld nach passgenauen Lösungen für ihre aktuelle Situation. Im Mittelpunkt steht dabei immer das Wohl des Kindes. Die Familienmitglieder als Gastgeber des Familienrates entscheiden über Zeit, Ort, Rahmen und eingeladene Personen. Bei der Vorbereitung und Durchführung des Familienrates unterstützt eine unabhängige pädagogische Fachkraft des SkF Freiburg als unparteiliche Koordinator*in.

Pädagogische Haltung und Wirkannahme

  • Jeder Mensch verfügt über ein Netzwerk – Familien erkunden, aktivieren und erweitern ihr soziales Netzwerk.
  • Jede Familie hat individuelle Ressourcen – das Familiensystem entdeckt und nutzt eigene Ressourcen.
  • Zusammensein stärkt das Wir-Gefühl – im Zusammensein mit Verwandten, Freunden und Fachkräften an einem Tisch entstehen neue Ideen und neue Energie wird freigesetzt.

Was ist ein Familienrat?

Ein Familienrat ist eine Methode zur aktiven und individuellen Hilfeplanung und Entscheidungsfindung mit Einbezug des gesamten sozialen Netzwerks einer Familie. Ziel ist es, die Familie von innen heraus zu stärken und ihre Kräfte für die Lösung der eigenen Probleme zu nutzen.

Die Familie kommt bei diesem Anlass mit Verwandten, Freund*innen, Nachbar*innen, Lehrer*innen oder auch Freund*innen des Kindes oder Jugendlichen zusammen. Die Fachkraft des Jugendamts sowie beteiligte Fachkräfte aus dem Helfernetz informieren über professionelle Unterstützungsmöglichkeiten und rechtliche Rahmenbedingungen.

Ein Familienrat ist jederzeit möglich

  • vor einer Jugendhilfe-Maßnahme,
  • während einer laufenden Hilfe,
  • nach einer Hilfe,
  • außerhalb anderer Unterstützungsangebote.

Auch in schwierigen Situationen, in denen das Kindeswohl nicht gesichert ist, kann der Familienrat zum Einsatz kommen. Das Jugendamt hat dabei das Wächteramt und die fachliche Verantwortung. Durch Ideen der Familie können neue Lösungsmöglichkeiten in den Blick genommen werden. Die Fachkraft des Jugendamts setzt mit seiner Sorgeformulierung den Rahmen, in dem sich der Familienrat bewegen kann. Innerhalb dessen hat die Familie die Möglichkeit, ihre eigenen kreativen Lösungen zu finden.

Woher kommt das Verfahren?

Seinen Ursprung hat das Modell des Familienrats in der Tradition der neuseeländischen Ureinwohner, der Maori. Wenn in deren Gemeinschaft ein Konflikt auftrat, kam die Gemeinschaft zusammen, um so lange zu diskutieren und zu verhandeln, bis eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung gefunden wurde. So wurde ein friedlicher Konsens geschaffen, der im gemeinsamen Einvernehmen umgesetzt wurde.

Unter dem Titel „Family Group Conferencing“ wurde die Methode in das neuseeländische Jugendhilfesystem aufgenommen und ist heute ein verpflichtendes Verfahren des Jugendwohlfahrtsgesetzes des Landes. Zu 95 % können Konflikte und Auffälligkeiten mit der Methode gelöst werden – richterliche Interventionen wurden auf fünf Prozent reduziert. Seit 2005 wird das Verfahren auch in Deutschland in mehreren Städten angeboten.

Wer beruft den Familienrat ein?

Familien können beim Jugendamt anmelden, dass sie einen Familienrat durchführen möchten. Der Familienrat kann auch von Seiten des Sozialen Dienstes vorgeschlagen werden. Bei Interesse kann die Familie beim Sozialen Dienst oder bei der Koordinator*in des Familienrates weitere Informationen einholen. Wünscht die Familie einen Familienrat, wird von der Familie und der Fachkraft des Sozialen Dienstes in einer sogenannten Sorgeformulierung schriftlich festgehalten, welche Fragestellung im Familienrat geklärt werden soll. Diese Sorgeformulierung dient der Familie und der Koordinator*in im Familienrat als inhaltliche Orientierung.

Welche Rolle spielt die Koordinator*in?

Die Familie wird durch die Koordinator*in im gesamten Ablauf unterstützt und begleitet. Sie motiviert die Familie, so viele hilfsbereite als auch verantwortungsbewusste Personen im Umfeld des Familiensystems zum Termin des Familienrates an einen Tisch zu bringen. Sie unterstützt in der Vorbereitung des Familienrates, koordiniert in Abstimmung mit der Familie Ort, Zeit und Teilnehmer, unterstützt bei der Klärung aller offenen Fragen und moderiert den Prozess, ohne inhaltlich Stellung zu beziehen. Sie bleibt somit stets neutral und unterliegt der Schweigepflicht.

Wer nimmt am Familienrat teil?

Teilnehmer*innen am Familienrat sind die Familienmitglieder und weitere Personen aus deren Netzwerk sowie die Koordinator*in und die Fachkraft des Jugendamtes. Eingeladen werden Menschen aus dem Umfeld der Familie, die den Familienmitgliedern wichtig sind und zur Lösung des Konfliktes beitragen können. Das können Großeltern, Tanten oder Onkel sein, Freund*innen, Nachbar*innen, Lehrer*innen oder gute Bekannte. Entscheidend dazu sind folgende Fragen:

  • Wer kennt die Familie oder auch nur das Kind bzw. den Jugendlichen besonders gut?
  • Wen haben Familienmitglieder schon mal zu dem Konflikt ins Vertrauen genommen?
  • Wer könnte bei der Lösungsfindung hilfreich sein?
  • Wer ist einzelnen Familienmitgliedern wichtig?
  • Wem vertraut die Familie?

Wie läuft der Familienrat ab?

Der Prozess des Unterstützungsangebotes verläuft in drei Phasen:

1. Vorbereitung des Familienrates
2. Durchführung des Familienrates
3. Überprüfung und Auswertung

Vorbereitung

Nach Erteilen des Auftrags und der Sorgeformulierung wird der Tag des Familienrates mit Unterstützung der Koordinator*in geplant. Im Rahmen eines ergebnisoffenen Vorgespräches mit der Familie werden die Situation besprochen und die Themen des Familienrates abgestimmt. Die Familie schlägt die Teilnehmer*innen vor und entscheidet über Ort und Termin des Ereignisses. Die Koordinator*in lädt die von der Familie vorgeschlagenen Gäste ein...

Durchführung des Familienrats

1. Begrüßungs- und Informationsphase

Die Koordinator*in stellt den Ablauf vor und moderiert die Begrüßungsrunde. Die Fachkraft des Jugendamtes stellt die Problemlage aus fachlicher Sicht dar und informiert über Möglichkeiten der professionellen Unterstützung. Es folgt eine Stärkerunde, in der die Gäste die Ressourcen der Familie beschreiben und darstellen, was in der Familie gut läuft. Offene Fragen werden beantwortet.

2. Familienphase

In dieser Phase verlassen die Fachkräfte den Raum und die Familie diskutiert gemeinsam mit dem Netzwerk die Problemsituation und entwickelt eigenständig mögliche Lösungsansätze und Unterstützungsvorschläge, die in einem Lösungsplan festgehalten werden.

3. Entscheidungsphase

Die Familie präsentiert ihre Lösung, die mit der Fachkraft vom Jugendamt abgestimmt wird. Die Einzelheiten des Lösungsplans werden genau fixiert und bedürfen einer Zustimmung durch die Fachkraft, die sicherstellt, dass das Wohl des Kindes oder Jugendlichen gesichert ist. Sämtliche Absprachen und daraus resultierende Aufgaben werden innerhalb der erweiterten Familiengruppe verteilt.

Umsetzung und Überprüfung

Im nächsten Schritt werden die Vereinbarungen umgesetzt. Etwa drei Monate später folgt ein Überprüfungstermin, bei dem die Teilnehmer*innen des Familienrates zusammenkommen und überprüfen, in wie weit der Plan funktioniert hat. Fortschritte und Entwicklungen werden reflektiert und eventuelle Anpassungen oder Ergänzungen vorgenommen.

Welche Wirkungen erzielt der Familienrat?

Partizipation und Ressourcenorientierung
Der Ansatz des Familienrats setzt auf Partizipation und weckt die Eigenkräfte der Familie. Sie wird in ihrer Eigenverantwortung gestärkt und dabei unterstützt, ihre Probleme aktiv anzugehen und eigene Lösungen dafür zu entwickeln.

Eigenverantwortung
Die Familie und ihr soziales Netzwerk gestalten den Prozess, übernehmen die Planung, entscheiden sich selbst für eine Lösung und sind für die Umsetzung selbst verantwortlich.

Netzwerkorientierung
Das soziale Netzwerk wird differenziert wahrgenommen und umfassend einbezogen. Die Familie aktiviert neue Kontakte, die an der Problemlösung beteiligt werden und lernt, sich erweiterte Unterstützung für den Familienalltag zu holen.

Kontakt

Kompetenzzentrum Familie
Familienrat
Eschholzstraße 101
79115 Freiburg
Telefon 0761 38508-330
kompetenzzentrum@skf-freiburg.de

Unser Angebot auf einen Blick

Grundsätzlich ist die Methode des Familienrates für jede Familie geeignet. Voraussetzung ist, dass die Mitglieder der Familie dazu bereit sind, sich vor dem sozialen Netzwerk zu öffnen und sich für die Lösung ihres Problems mit Fokus auf das Kindeswohl einzusetzen.

Der Familienrat ist jederzeit möglich

  • vor einer Jugendhilfe-Maßnahme,
  • während einer laufenden Hilfe,
  • nach einer Hilfe,
  • außerhalb anderer Unterstützungsangebote.

Ausgangspunkt ist eine vom Jugendamt formulierte Sorge, bezüglich der Entwicklung eines oder mehrerer Kinder der Familie. Neben dem Hauptziel eine passgenaue Lösung für die konkrete Problemlage zu entwickeln, zielt die Methode auf die Förderung weiterer Aspekte wie

  • Maximale Mitbestimmung im Rahmen der Hilfeplanung
  • Ressourcenorientierung und Aktivierung der eigenverantwortlichen Problemlösung
  • Stärkung des Gemeinschaftsgefühls
  • Aktivierung und Erweiterung des sozialen Netzwerks
  • Auftrag durch Jugendamt und Familie – Sorgeformulierung durch das Jugendamt
  • Vorbereitung mit Unterstützung der Koordinator*in
  • Termin des Familienrats mit dem Ergebnis eines von allen Beteiligten akzeptierten Lösungsplanes
  • Umsetzung des Plans in der Familie – gegebenenfalls mit Unterstützung des Netzwerkes
  • Termin zur Überprüfung und bei Bedarf Anpassung der Inhalte
In Deutschland wird das Verfahren seit über 14 Jahren vor allem bei der Hilfeplanung im Bereich Erziehungshilfen eingesetzt. Rechtliche Grundlagen dafür sind vorrangig §§ 16 und 36 SGB VIII.